Bericht über eine weitere Reise in die Ukraine-auf den Spuren der Huzulenpferde
Um freier als in einer Gruppe über Fahrtroute und Zeit verfügen zu können, machten wir uns auf Einladung des Direktors des Nationalparks in Kosiv zur Teilnahme am traditionellen Fest der Huzulenbevölkerung, auf den Weg nach Putyla.
In Tiszabecs/Vylok passierten wir die ukrainische Grenze, wo uns Michel bereits erwartet. Aus Kiel stammend, betreibt er gemeinsam mit Freunden einen landwirtschaftlichen Betrieb in Steblivka im Theisstal, in der Nähe von Chust. Dort züchtet er Wasserbüffel und hält Huzulenpferde – unter anderen auch die Huzulenpferde von Hans Peter Grünenfelder.
Huzulenpferdeherde von Michel
Michels Wasserbüffelherde
Nach viel gegenseitiger Information und angeregtem Meinungsaustausch beim Abendessen in der örtlichen Gastwirtschaft fuhren wir am nächsten Tag weiter ostwärts, dem Tal der Theiss, die die Grenze zwischen Rumänien und der Ukraine bildet, entlang bis Diluve, wo die Straße nach Norden, Richtung Rachiv weiterführt. Obwohl wir die ukrainische Sprache weder verstehen noch cyrillisch lesen konnten, war es uns möglich in Rachiv auf dem Markt Gebäck, Kuchen und Wasser zu kaufen. Die Menschen sind uns besonders freundlich und hilfsbereit entgegengekommen.
Etwas weiter im Norden vereinigen sich die weiße und schwarze Theiss zum größten Nebenfluss der Donau. Kurz vor Bilyn trafen wir unsere Freundin Maria, die wieder bereit war, als sach- und ortskundige Übersetzerin uns auf der weiteren Fahrt zu begleiten. Über Kvasy, weiter nach Yasinya, Yablunytsya - Winterschigebiete mit modernster Infrastruktur - immer nordostwärts, zweigten wir in Tatariv , wo Kriegsgräber aus den Weltkriegen gepflegt werden, nach Süden in das Tal des Pruth ab.
Kriegerdenkmal
Die höchsten Berge des Tschornohora-Gebirges in den Ostkarpaten sind im Karpaten- National- Naturpark die Howerla, der Brebeneskul und der Pop Iwan mit dem Observatorium. Von Vorochta aus gelangt man zum Ausgangspunkt für Bergtouren auf die ca. 2000 m hohen Gipfel.
Wanderkarte Howerla
Neben dem Touristikzentrum steht eine Holzkirche mit den für die Gegend so typischen Dächern. Und im Garten der Kirche und davor - grasen Huzulenpferde.
Typische Holzkirche, davor grasen Huzulenpferde
Wir verließen Vorochta in Richtung Südosten, den Fluss Prut meist neben uns oder in geringer Entfernung mäandrierend, bis er, nach Südwesten wendend, erst vom Fluss Ardzhelyuzha, später vom Fluss Rosysh Velyki und Fluss Iltsya abgelöst wird. Kurz vor Verchovyna kommt der Schwarze Cheremosz vom Süden über Burkut und Zelene, und fließt, nachdem Iltsya in ihn mündet, nach Osten weiter, wohin auch unsere Straße führt.
Tallandschaft am Schwarzen Czeremosz
Unser Ziel war die in der Huzulenregion gelegene Stadt Verchovyna, die eine lange, wechselvolle Vergangenheit aufweist und von der Zucht der Huzulenpferde nicht zu trennen ist. Gegründet wurde sie im 15. Jahrhundert mit dem Namen ZABIE.
Zabie - zur Zeit der K.u.K. Monarchie in Galizien zu Österreich gehörend, danach zu Polen, später zur Sowjet Union - liegt jetzt im ukrainischen Bezirk Ivano-Frankivsk ist ein wichtiges Fremdenverkehrszentrum der Region. Der Name Zabie, der Kröte bedeutet, wurde in Verchovyna geändert was etwa „Ort in den Bergen“ bedeutet.
Im örtlichen Huzulenmuseum wurden wir bereits erwartet, da uns Maria für eine Führung angemeldet hatte. Erstaunt und sehr erfreut zeigte man sich über unser Interesse an dem so traditionsreichen Ort der Huzulenpferdezucht.
Museum Zabie - Huzulentracht
Museum - Hausrat
Am nächsten Tag ging es weiter, erst nach Osten, dann nach Norden, wieder in Flusstälern entlang über Bukovets zum Nationalpark „Huculszczyna“ und weiter nach Verbovets bei Kosiv, wo wir bei Huzulenzüchtern, die dort ein Gästehaus im Rahmen eines von der Europäischen Union fundierten Projekts betreiben, nächtigten. Die bereits schon mehrmals beschriebene Gastlichkeit manifestierte sich auch hier in mehrgängigen Köstlichkeiten lokaler Spezialitäten. Einem langen Abend mit Verkostung auch der „geistigen Produkte“ der Region folgte eine kurze Nacht, denn man hatte uns eingeladen morgens zeitig den Markt in Kosiv zu besuchen.
Natürlich hat Oberstleutnant a. D. Ernst Hackl in seinem 1938 erschienen Buch „ Der Berg-Tarpan der Waldkarpathen - genannt HUZUL“ die Landschaft, Umgebung von Zabie, den Sitz einer Hengststation, erwähnt und beschrieben. Nachzulesen im Menüpunkt „Lektüre Seiten 16 ff, 59ff.
Um 5.00 Uhr morgens brachen wir zum Besuch des Wochenmarkts in Kosiv auf. Das Marktgelände, unüberschaubar groß, hat, weil am Stadtrand gelegen, Platz für die vielen Fuhrwerke, und Autos. Allerdings muss man vor 8.00 Uhr da sein, sonst geht nichts mehr. Wenn man sich nicht auskennt, wird man von den Menschen in irgendeine Richtung geschoben. Es gibt dort alles von Käsespezialitäten in Tierform, Gemüse, Obst, Pilze frisch und getrocknet, Hausrat, Wäsche, Bekleidung, handgefertigte Teppiche, feinste gehäkelt Spitzen, und natürlich die wunderbaren, nach uralten traditionellen Mustern bestickten Hemden und Blusen für die jeweiligen Originaltrachten der Region. Auch die dazu passenden, handgewebten Gürtel und Bänder für die Haare und die aus feinster Wolle hergestellten Tücher mit langen Fransen in leuchtenden Farben gibt es zu kaufen.
Eine ältere sehr gepflegte Dame hatte mitbekommen, dass wir uns speziell für die Huzulentracht interessierten, lud uns ein, ein von ihr betreutes „Huzulenmuseum“ zu besuchen. Obwohl außerhalb der Öffnungszeiten, führte sie uns durch alle Schauräume des Museums, das insbesondere der Tracht und den unendlich vielen Stickmotiven aus den jeweiligen Talschaften der Huzulen gewidmet ist. Sie war so erfreut, dass wir, von sehr weit herkommend, so großes Interesse an den Sammelstücken hatten, dass sie uns Kopien von alten Fotografien, die das Leben und die Umwelt der Huzulen darstellten, überließ
Tracht einer Huzulin
Tracht eines Huzulen
Gegen 11.00 Uhr verließen wir Kosiv - wir wollten das große Fest des Huzulenvolkes in Putyla besuchen. Bis Rozhniv in Richtung Nordosten von dort in Richtung Süden im Tal des Czeremosz, der die Grenze zwischen den Bezirken Ivano Frankivs und Czernowitz bildet, führte uns der Weg nach Vyzhnytsya wo wir den Czeremosz überquerten und im Gebiet des Vyzhnytsya Nationalparks nach Süden bis Vyzhenka dann nach Südwesten, später nach Westen, bis wir wieder den Czeremosz erreichten, seinen Windungen entlang nach Süden, ihm entlang bis nach Marynych, wo wir ihn endgültig verließen. Eine kurze Strecke begleitet uns der Bivkiv Fluss bis zur Einmündung der Putyla. Ihren wilden Windungen, fast Mäander, stromaufwärts entlang über eine wirklich abenteuerliche Straße bis Dykhtynets, weiter bis Putyla, dem Hauptort der Region. Am Fluss gelegen, wirkt er etwas städtisch, auch mehrere Banken sind vertreten, Kirchen mit gold- bzw. silberfarbenen Dächern und mehrgeschossige Verwaltungsgebäude lassen diesen Ort als ideales Zentrum für das große Huzulenfest erscheinen. Diese von der Huzulenbevölkerung seit langem besiedelte Region hat ein wechselvolles Schicksal erlebt. Es gehörte ursprünglich zum Fürstentum Moldau, später zur Bukowina des K.u.k Österreichs, danach zu Rumänien, später zu Russland, nach dessen Zerfall ist es nun Teil der Ukraine. Die kriegerischen Auseinandersetzungen, willkürlichen Teilungen und Grenzziehungen in diesem Gebiet konnten aber nicht die Kultur der Huzulenbevölkerung zerstören, ebenfalls nicht die zu ihrer Kultur gehörenden Zucht der Pferde ihres Lebensraumes – die Huzulenpferde. Durch sie war das Leben in den straßenlosen, oft brückenlosen gebirgigen Karpaten oben auf den Poloninen überhaupt erst möglich.
Von Juri Stefurak und dem Veranstaltungskomitee des Festes eingeladen, war es uns möglich, Kontakte zu mehreren Gruppen herzustellen, die traditionelle Tänze zu der von typischen Instrumenten gespielten Musik vorführten und die alten überkommenen Huzulenlieder sangen.
Alte Tracht - moderne Technik
Abends fuhren wir weiter in Richtung Süden, immer der Putyla folgend bis Ploska, wo sie sich nach Südwesten – die Straße sich aber nach Südosten wendete. Ungefähr hier steht ein Schranken, den Uniformierten mussten wir unsere Pässe zeigen und erklären, was wir im Grenzgebiet wollten.
Bis zu unserem Quartier für die Nächtigung waren es noch einige Kilometer bis zum Ortsrand von Selyatin. Das Privathaus, als kleine Frühstückspension geführt, war sehr gemütlich. Unser Nachtmahl, selbstgebackenes Brot mit Schafkäse, Schinken und frischem Salat aus dem Garten, war köstlich. Danach besuchten wir noch das im Gemeindehaus stattfindende Konzert eines mit dem Bus angereisten Huzulenchors aus Ivano Frankivsk. Auch hier konnten wir in der Pause das im Haus eingerichtete kleine Ortsmuseum besuchen.
Museum Selyatin Huzulentracht
Auf dem Platz vor dem Gemeindehaus in Selyatin
Huzulenpferd eingespannt - das Transportmittel auf den unbefestigten Straßen
Tags darauf am zeitigen Morgen fuhren wir von Selyatin nach Südwesten entlang der Suceava, in deren Mitte teilweise die Staatsgrenze zu Rumänien verläuft. Sie fließt manchmal auf ukrainischem - dann wieder auf rumänischem Gebiet. Der Grenzzaun, 3 Reihen Stacheldraht, 1 Reihe stromführender Draht, hinter einem höheren Maschendrahtzaun, dessen einige Steher nicht mehr gerade stehen, führt stellenweise ganz nahe an die Straße heran. In Shepit, dort wo früher ein Grenzübergang nach Izvoarele Sucevei auf rumänischer Seite war, sieht man dieselben Berge, die von den dortigen Hengstweiden des rumänischen Staatsgestüts Lucina, das nur in wenigen Kilometern Luftlinie entfernt liegt, sichtbar sind.
Am frühen Nachmittag war ein Treffen mit der „Bürgermeisterin“ von Seljatin in ihrem Privathaus vereinbart. Überaus gastfreundlich, wie überall, wurden wir mit selbstgemachten Bäckereien und Getränken bewirtet. Wir sprachen sie auf die Grenzsituation der Gemeinde an, worauf sie bedauernd erzählte, dass die Grenzziehung mitten durch Familien und Höfe erfolgt sei, und dass es früher den Huzulenfamilien möglich war, über einen kleinen Grenzübergang zu Fuß einander zu besuchen. Leider ist das derzeit nicht immer erlaubt.
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